Familie & Gesellschaft

Armut in der Schweiz

Finanzielle Sorgen zermürben und verringern die Unbeschwertheit einer Familie. Eltern leiden, wenn sie ihren Kindern Wünsche ausschlagen müssen. Armut beeinträchtigt die Chancengleichheit und kann sich auf die Gesundheit auswirken.
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Finanzielle Sorgen als zusätzliche Belastung in armen Familien.

Diesen Text gibt es auch in Leichter Sprache.

Wir leben in einer Wohlstandsgesellschaft und Armut ist ein Tabu. Man spricht nicht darüber, dass man kein oder zu wenig Geld hat. Arm zu sein, wird von den Betroffenen als Makel empfunden. Auch in der reichen Schweiz ist nicht alles Gold was glänzt. Dass Leute über ihre Verhältnisse leben, weil sie alles besitzen wollen, ohne sich einzuschränken, ist nur die eine Seite der Medaille. Viele Familien verfügen über zu wenig finanzielle Mittel. Armut in der Schweiz ist weit verbreitet.

In der Schweiz leben über 700'000 Menschen unter der Armutsgrenze (Quelle: BfS 2022). Bei kinderreichen Familien genügen die Einkünfte oft nicht, um die täglichen Bedürfnisse zu decken. Existenznöte treffen häufig Alleinerziehende. Plötzlich muss ein Elternteil alleine für die Kinder aufkommen und das wird zu einem schier unmöglichen Unterfangen.

Einschränkungen durch fehlende Mittel

Hohe Lebenskosten bewirken immer häufiger, dass ein Lohn nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. So verwundert es nicht, dass die Anzahl der sogenannten Working Poor zunimmt. Obwohl diese Leute ein volles Pensum arbeiten, verdienen sie nicht genug, um ihre Familie zu ernähren. Finanzielle Probleme betreffen Kinder sehr stark, denn sie schränken ein und beeinträchtigen die Chancengleichheit. Dinge, die für Gleichaltrige selbstverständlich sind, bleiben Kindern und Jugendlichen aus armen Familien verwehrt. Obwohl sie liebevoll umsorgt werden, auf zusätzliche Angebote wie Musikunterricht, Teilnahme in Sportvereinen oder Freizeitaktivitäten wie Zoobesuche, Hallenbad-Nachmittage oder Kinobesuche müssen sie meist verzichten.

Versteckspiel bewirkt soziale Isolation

Viele Betroffene möchten nicht, dass die Aussenwelt erfährt, wie sehr sie jeden Franken umdrehen müssen und so beginnt eine Art Versteckspiel. Für die Kinder wird der Kontakt zu Gleichaltrigen erschwert und das soziale Umfeld auf die Familie reduziert. Ist die Familie sehr klein, zum Beispiel bei alleinerziehenden Eltern mit nur einem Kind, wird der Kreis unter Umständen sehr eingeschränkt. In solchen Situationen kann es helfen, die persönliche Lage mit einer Fachperson zu besprechen. Bei der Elternberatung von Pro Juventute finden Familien beispielsweise eine kostenlose Anlaufstelle zu Alltagsfragen und Hilfe in schwierigen Situationen. Wohltuend ist zu spüren, dass man nicht alleine dasteht. Auch wenn man glaubt, dass es allen anderen Leuten viel bessergeht, der Schein trügt: Armut in der Schweiz ist keine Randerscheinung.

Angebot, um die Lebensqualität zu verbessern

Mit dem Angebot des Hotels Chesa Spuondas versucht Pro Juventute, für weniger privilegierte Familien einen Ausgleich zu schaffen. Denn Ferien sind bei finanziellen Engpässen kaum möglich. Weil alleinerziehende Elternteile und Familien trotz knappem Budget ebenfalls ein Anrecht auf einen Tapetenwechsel haben, ermöglicht Pro Juventute im Engadin erschwingliche Ferientage.

Wenn Geldsorgen krankmachen

Manchmal zermürben existenzielle Nöte und Geldsorgen so sehr, dass die Gesundheit darunter leidet. Dass Armut krankmachen kann, ist bekannt. Im schlimmsten Fall verlieren Leute deswegen ihren Job. Gemäss Caritas sind in der Schweiz über 133'000 Kinder von Armut betroffen, auch wenn das von aussen betrachtet kaum ersichtlich ist. Um eine Abwärtsspirale zu vermeiden, ist es wichtig, Familien zu unterstützen. Neben Geldsorgen und gesundheitlichen Schwierigkeiten ist die soziale Isolation ein gravierendes Problem.

Weil Kinder an vielen Freizeitaktivitäten nicht teilhaben können, sind sie ausgeschlossen. Auch die Bildungschancen sind für Kinder aus armen oder von Armut betroffenen Familien eingeschränkt. So wird die Chancengerechtigkeit gemindert. Die soziale Verantwortung einer Gesellschaft besteht darin, für die Mitmenschen zu sorgen. Soziale Netze sollen Menschen in Not auffangen. Institutionen wie Pro Juventute engagieren sich ebenfalls für weniger privilegierte Familien und tragen dazu bei, ihren Alltag zu verbessern.

Ein Teil dieses Textes ist im ElternMagazin Fritz+Fränzi erschienen.

Tipps für Eltern

  • Verstecken Sie Ihre Sorgen nicht vor Ihren Mitmenschen. Erst wenn diese wissen, dass es Ihnen nicht gutgeht, können sie Ihnen helfen.
  • Trotz Problemen ist es wichtig, dass Sie Ihre Familie nicht isolieren. Achten Sie darauf, dass Ihre Kinder Kontakte zu Gleichaltrigen und zu befreundeten Familien pflegen können.
  • Holen Sie sich rechtzeitig Hilfe. Denken Sie nicht, dass Sie alle Probleme selber lösen müssen.
  • Nehmen Sie eine kostenlose Budgetberatung in Anspruch, zum Beispiel von Caritas.
  • Bei der Elternberatung von Pro Juventute bekommen Sie jederzeit Hilfe von Fachleuten. Für Ihre Kinder gibt es die Beratung+Hilfe 147.

Das Recht keine Not zu leiden

Artikel 27 der UN-Kinderrechtskonvention definiert das Recht, dass Kinder nicht in Not leben müssen. Um Kinder zu schützen, wird die Rolle der Eltern festgelegt, aber auch wie Staaten eingebunden werden und welche Verantwortlichkeiten sie übernehmen sollten. Ein Auszug aus Artikel 27 im Wortlaut:

«(...) Es ist in erster Linie Aufgabe der Eltern oder anderer für das Kind verantwortlicher Personen, im Rahmen ihrer Fähigkeiten und finanziellen Möglichkeiten die für die Entwicklung des Kindes notwendigen Lebensbedingungen sicherzustellen. Die Vertragsstaaten treffen gemäss ihren innerstaatlichen Verhältnissen und im Rahmen ihrer Mittel geeignete Massnahmen, um den Eltern und anderen für das Kind verantwortlichen Personen bei der Verwirklichung dieses Rechts zu helfen, und sehen bei Bedürftigkeit materielle Hilfs- und Unterstützungsprogramme insbesondere im Hinblick auf Ernährung, Bekleidung und Wohnung vor (...).»

Pro Juventute setzt sich dafür ein, dass die UN-Kinderrechtskonvention in der Schweiz konsequent angewendet wird. Erfahren Sie mehr zu unserem Engagement für die Kinderrechte.

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